Ja, ich kann es selber kaum fassen. Es hat gerade wirklich jemand gewagt, mich am frühen Morgen anzusprechen. Mich. Den Kaiser des Morgengrants höchstpersönlich. Fassungslos gleitet mein Blick langsam Richtung Boden. Plötzlich merke ich, wie meine Hände zu zittern beginnen. Ich spüre, wie sich meine Adern mit Blut aufpumpen und meinen ganzen Körper zum Brodeln bringen. Ich versuche mich zu kontrollieren, doch es gibt kein Zurückhalten mehr. Mein Kopf richtet sich langsam auf. Es ist zu spät – ich bin nicht mehr zu stoppen.
Eine bittere Kälte und ein eisiger Nebel machen sich breit. Das einzige, das wie ein Messer durch diese düstere Atmosphäre schneidet ist mein tödlicher Blick, der mein Opfer vor lauter Angst zu Stein verwandeln lässt. Perfekt. „Nun bist du genauso, wie ich dich haben will.“ – denke ich mir. Ich setze zum Angriff an. Ein Vulkan meiner Wut macht sich in Form von verbalen Nackenschlägen bereit zum Ausbrechen. Gleich ist es soweit. DREI… ZWEI… EINS…
Nagut. In einen derart übertriebenen Zustand der Raserei verfalle ich zwar nicht. Aber, ich muss schon zugeben. Ich bin am Morgen schon ein kleiner Grantler – zumindest sagt man mir das nach. Ich werde zwar nie gemein oder aufmüpfig aber ich bin zumindest in den ersten 30 Minuten nach dem Aufstehen in meiner eigenen Welt. Dabei kann es in diesem Zeitraum vorkommen, dass ich einfach keine Antwort auf eine Frage gebe, jeden Blickkontakt scheue oder nur ein kurzes und bündiges „mhm“ von mir gebe. Bis auf diese Kleinigkeiten bin ich aber relativ handzahm. Und nach den erwähnten 30 Minuten meist auch richtig gut gelaunt. Außer mir passieren gewisse Dinge am Morgen, bei denen sich mein handzahmer Grant in einen richtigen Wiener-Grant verwandelt.
Egal wie gut ich davor gelaunt war. Gewisse Dinge können meinen Puls wortwörtlich von 0 auf 100 bringen und das binnen weniger Sekunden. Dabei handelt es sich aber um Dinge, die wahrscheinlich jeden Wiener tierisch auf die Palme bringen. Ich traue mich sogar zu behaupten, dass es jeden einzelnen Menschen auf der Welt auf die Palme bringt. Ich spreche dabei von einer vollen Straßen- oder U-Bahn, Personen die auf der Rolltreppe links stehen bleiben oder meine Favoriten. Leute, die im Schneckentempo vor dir dahinschlendern und dich regelrecht ausbremsen. Für solche Situationen habe ich am Morgen einfach keine Geduld oder gar einen Nerv. Um in diesen Situationen dennoch cool zu bleiben, habe ich mir einen ganz speziellen Trick überlegt. Ich stelle mir vor, die Welt befindet sich mitten in einer Zombie-Apokalypse.
Seid doch mal ehrlich. Wer von euch hatte nicht schon diesen Gedanken: „Was gäbe ich jetzt für eine Zombie-Apokalypse.“. Nie wieder vollgestopfte Straßen- oder U-Bahnen. Keine lästigen Bremser, die vor dir gehen und keine Leute, die auf der Rolltreppe auf der linken Seite stehen. Stellt euch mal dieses Szenario vor – ein Traum von einer Stadt. Ok. Ich muss schon zugeben. Die Bahnen wären zwar nie voll aber wahrscheinlich auch außer Betrieb. Das Gleiche gilt für die Rolltreppen. Und das Problem mit den Bremsern vor dir würde mit Sicherheit schlimmer werden – da Zombies ja bekanntlich nicht die schnellsten sind. Trotzdem wäre dieser Gedanke an eine Welt ähnlich der, wie in „The Walking Dead“, auf der einen Seite schon interessant ;). Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob ich dort allzu lange überleben würde. Aus diesem Grund, bin ich auch auf der anderen Seite froh, dass wir momentan „keinen“ apokalyptischen Zustand auf unserer Welt haben.
Nichtsdestotrotz lässt mich dieser Gedanke nicht los, einmal das Gefühl zu spüren, mitten in einer Zombie-Apokalypse zu leben und (als leidenschaftlicher Läufer) auch manchmal um jenes rennen zu müssen. Und das mitten in Wien. Aus diesem Grund benutze ich auch seit kurzem eine App, bei der man genau so ein Szenario nachspielen kann.
„ZOMBIES, RUN!“ heißt die Applikation für Läufer, die dich direkt in eine von Zombies heimgesuchte virtuelle Welt bringt. Eine Welt, die nur durch deine abgelaufenen Meter überleben kann. Ziel ist es dabei, deine Basis durch aufgesammelte Items wieder aufzubauen, zu erhalten und zu verbessern. Um so die Menschheit vor der drohenden Lage des Aussterbens zu retten. Als „Runner 5“ kriegst du während deines Laufes, unter ständiger Begleitung knurrender Zombies, immer wieder Anweisungen über deine Kopfhörer durchgegeben, welche dich Schritt für Schritt durch die jeweiligen Missionen bringen. Und diesen Anweisungen ist gar nicht mal so einfach Folge zu leisten, wenn du vor lauter Zombieknurren nicht genau aufpasst was gesagt wird, kann es vorkommen, dass du die vorgegebene Richtung verpasst. Das sorgt für einen ordentlichen Schub an Nervenkitzel.
Nachteil der App ist, dass „ZOMBIES, RUN!“ nicht ganz gratis ist. Um alle Missionen oder zusätzliche Features (z.B.: Intervall-Läufe durch Zombie-Verfolgung, genaue Statistiken, …) benutzen zu können muss man monatlich oder jährlich Zahlen. Zirka 5 € im Monat oder 28 € im Jahr sind aber – meiner Meinung nach – eine leistbare Summe um eine andere Art von Laufen kennenzulernen.
Somit kann ich euch nur noch eines sagen. Nehmt euren Grant. Mischt ihn mit eurer Motivation und lauft was das Zeug hält. Denn bei einem könnt ihr euch sicher sein. Sie werden kommen.
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